UNO-Palästinenserhilfswerk: Wir sind bis an die Grenze belastet

Das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA appelliert an Österreich, eingefrorene Entwicklungsgelder für die Palästinenserinnen und Palästinenser freizugeben: „Wir hoffen, dass jeder Mitgliedsstaat, der zögert, einen Beitrag für UNRWA zu leisten, seine Entscheidung revidiert so wie es die deutsche Regierung getan hat“, sagte UNRWA-Pressechefin Juliette Touma in Gespräch mit der APA. Die Lage im Gazastreifen ändere sich „minütlich von schlecht zu schlechter“.

Es sei „nur eine Frage der Zeit, bis die Menschen an Krankheiten, Hunger und fehlender medizinischer Versorgung sterben werden“, so Touma. Die Zivilistinnen und Zivilisten durchlebten die „Hölle“. Der Bedarf an Hilfe sei „enorm“ und wachse weiter. „Es ist nicht so: Man bekommt Geld, verwendet es, Problem gelöst.“ UNRWA sei „bis an die Grenze belastet“.

„Wir werden alle Zahlungen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit vorerst auf Eis legen“, hatte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zwei Tage nach dem Terrorangriff der Hamas via Ö1-„Morgenjournal“ angekündigt.Die Prüfung der österreichischen Entwicklungsgelder für UNRWA und andere Organisationen in Palästina laufe indes weiter. Es gebe mit UNRWA einen Rahmenvertrag in der Höhe von neun Millionen Euro für die Jahre 2023 bis 2025 im Bereich Gesundheit in Gaza und dem Westjordanland. „Angesichts der unglaublichen Gräueltaten müssen wir auch hier die Stopp-Taste drücken und die noch ausstehenden Gelder für UNRWA in der Höhe von sechs Millionen Euro einer gründlichen, ergebnisoffenen Prüfung unterziehen“, so das Ministerium zur APA. Deutschland gab indes am Dienstag bekannt, seine Zusammenarbeit mit UNRWA wiederaufzunehmen und die Hilfen von heuer 71 Millionen Euro auf 91 Millionen Euro aufzustocken.

UNRWA versucht Mitgliedsländer wie Österreich zu beruhigen: „Wir stellen sicher, dass die Hilfen nicht abgezweigt werden, sondern an die richtige Stelle kommen: Menschen in Not“, so Touma. Die UNRWA-Mitarbeitenden würden genau „unter die Lupe“ genommen, „wir geben eine Liste unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an alle Gastregierungen in der Region weiter und an Israel als Besatzungsmacht, unsere Hilfen werden überwacht und evaluiert“. Am Donnerstag gab das Außenministerium bekannt, dass Österreich zwei Millionen Euro an Akuthilfe zwar nicht für das UNRWA aber für die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften bereitstellt.

Touma selbst befindet sich in der jordanischen Hauptstadt Amman, hat laut eigenen Angaben aber laufend Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen in Gaza. Wie wird aktuell vor Ort über die Hamas gesprochen, wie sieht es mit dem Rückhalt in der Bevölkerung für die Terrororganisation aus? „Die Menschen im Gazastreifen sprechen nicht über die Hamas, sie kämpfen um das nackte Überleben“, so Touma. „Es gibt im gesamten Gazastreifen keinen sicheren Ort.“ Und die Menschen könnten schlicht nicht aus dem Gazastreifen fliehen.

Im Schnitt erreichen laut Touma seit dem Beginn der Hilfslieferungen am 21. Oktober täglich etwa 33 Lkw den Gazastreifen – „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Gebraucht würden 500 Lkw pro Tag. UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini sei kürzlich vor Ort gewesen und mit „sehr bewegenden Geschichten“ zurückgekommen. „Kleine Kinder baten ihn um ein Stück Brot oder einen Schluck Wasser.“

Sorgen bereite dem UNO-Hilfswerk neben der Lage im Gazastreifen die Situation im Westjordanland und in Ost-Jerusalem. „Dort haben wir in den letzten 18 Monaten einen Anstieg der Gewalt erlebt.“ Seit dem 7. Oktober habe sich die Lage verschlimmert, laut der Schwesterorganisation OCHA – dem UNO-Nothilfebüro – seien 44 Kinder getötet worden. „Die Situation in der gesamten Region ist vermutlich die schlimmste in den vergangenen Jahrzehnten“, sagte Touma.

Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten wurde 1948 gegründet und ist im Westjordanland, Ost-Jerusalem, Gazastreifen, Libanon, in Jordanien und Syrien tätig. Palästina-Flüchtlinge, die bei UNRWA registriert sind, haben laut Webseite „Anspruch auf die Dienste innerhalb der UNRWA-Einsatzgebiete“. UNRWA verwaltet keine Flüchtlingslager. Die Zuständigkeit des Hilfswerks beschränkt sich auf die Durchführung von Bildungs-, Gesundheits-, Hilfs- und Sozialdiensten, Mikrofinanz- und Nothilfeprogrammen, die innerhalb und außerhalb der Lager durchgeführt werden. Allein im Gazastreifen sind 13.000 Personen für UNRWA tätig, am Donnerstag gab die Organisation bekannt, dass seit Beginn des Kriegs 92 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getötet wurden.

APA/2023-11-09

About the author