Wieviele Banken weiltweit noch krachen werden – niemand weiß es. Regierungen und Finanzinstitute versuchen zwar, kleine Sparer wie große Investoren zu beruhigen: „Es gibt keinen Anlass zur Panik in Österreich“, sagte etwa Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), ähnlich klang das von den französischen und den italienischen Finanzministern. Aber die Verunsicherung ist bereits groß, auch unter Bankmitarbeitern, wie der eine oder andere zugibt. In internen Agrumentationshilfen bekommen sie deshalb nun vorgekaut, was sie ihren Kunden zu sagen haben – und das lautet, auf den Schlüsselsatz reduziert: „Die Bank ist sicher.“
Stimmt das? Für alle österreichischen Banken? Und wie lange? Was passiert beispielsweise mit der Bank Austria, wenn die Situation ihrer Mutter – der italienischen UniCredit – weniger rosig ist, als sie ihr Vorstandschef noch vergangene Woche darstellte? Da hatte Alessandro Profumo wiederholt erklärt, man sei „absolut unbesorgt, auch im aktuellen Szenarium der Weltmärkte“. Die UniCredit sei ein „extrem solides und gesundes Bankhaus“. Aktionäre der drittgrößten europäischen Bankengruppe waren sich da zeitweise nicht so sicher und reagierten panisch. Immer wieder wurde die Aktie vom Handel an der Mailänder Börse ausgesetzt.
Gerüchte machten die Runde, die UniCredit könnte beim Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) größere Außenstände haben. Diese – vor fünf Jahren von der UniCredit-Tochter Hypovereinsbank abgespalten – wäre beinahe pleite gegangen, weil eine ihrer Töchter nicht mehr ausreichend Geld bekommen hatte, um ihr Geschäft aufrecht zu erhalten. Damit wurden für die HRE Abschreibungen in Milliardenhöhe fällig. Zwar kam die deutsche Bundesregierung der HRE mit einer Milliardenbürgschaft zur Hilfe, doch die Verunsicherung unter Aktionären blieb – und erreichte schließlich die Bank Austria.
Verunsichert sind aber nicht nur Kunden der Bank Austria, sondern die sämtlicher österreichischer Banken. „Weiß der Teufel, was noch passiert“, sagt denn auch ein leitender Banker, der namentlich nicht genannt werden will. „Vor ein paar Wochen hätte auch niemand gedacht, dass einmal Lehman Brothers kracht.“ Die US-amerikanische Investmentbank erklärte sich Mitte September für zahlungsunfähig. Doch Verunsicherung sei das eine, meint der Fachmann. Panik löse aber einen Flächenbrand aus. Und so manche Reaktion hält er für „weit übertrieben“: Man müsse nicht gleich die Bank stürmen und sein Geld in den Sparstrumpf stecken.
Denn für bis zu 20.000 Euro gibt es im Fall des Falles eine gesetzliche Einlagensicherung pro Sparer und Bank – wer über höhere Beiträge verfügt, sollte diese deshalb auf mehrere Institute aufteilen.
Was ist mit der Privatpension?
Ein bitteres Erwachen könnte es hingegen für jene geben, die eine fondsgebundene Lebensversicherung oder private Pensionsvorsorge abgeschlossen haben, denn die sind von der Entwicklung des Kapitalmarkts abhängig. Und an den Börsen geht es derzeit ja turbulent zu. Allein an der Wiener Börse ist der Leitindex ATX Ende September im Vergleich zu Jahresbeginn um fast 40 Prozent gefallen.
Wo ist das Geld der Kunden?
Dass sich aber Kleinsparer große Sorgen machen müssen, hält auch Franz Hahn, Finanzexperte am Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), für unberechtigt. Die heimischen „systemrelevanten“ Banken seien alle miteinander gut aufgestellt, sagt er. Soll heißen: Die Institute verfügen über mehr Eigenkapital, als vorgeschrieben ist. Gegen Ausfälle sind sie also abgesichert – gleich, ob es sich nun um Kredite handelt oder um eigene Investitionen in Aktien, Fonds oder Anleihen, um die Erträge aus dem Handelsgeschäft zu erhöhen. Das Geld, das Kunden auf die Bank tragen, steckt also in Krediten, mit denen Privatpersonen oder Unternehmen Traktoren, Kühe, Autos, Häuser, Geschäftslokale oder Firmengründungen finanzieren. „Eine Aufgabe der Bank ist es, hier das Risiko zu beurteilen“, sagt Erste-Bank-Sprecher Peter Thier. Über Gewinne oder Kapitalerhöhungen investieren Banken überdies im Ausland und hoffen so auf mehr Kunden und mehr Geschäft. Österreichs Banken sind vor allem in Mittel- und Osteuropa stark vertreten. Und schließlich borgen Banken einander Geld – in Zeiten wie diesen übrigens nicht besonders gern -, um beispielsweise für Ausleihungen, die weniger wert geworden sind, einen Polster zu haben.
Im Osten lauert die Gefahr
Auch an Lehman Brothers wurde Geld verliehen; wegen der Insolvenz der Investmentbank müssen deshalb auch heimische Banken Verluste buchen. Die Erste Bank sprach von 40 Millionen Euro, die sie an Forderungen gegenüber Lehman hat, die Volksbanken von 50 Millionen, die Raiffeisenzentralbank von 252 Millioen Euro. „Im Vergleich zu unserem Halbjahresgewinn ist das Engagement der UniCredit bei Lehman Brothers aber absolut marginal“, erklärt etwa der Vorstand der Bank Austria. „Der Anteil liegt im Promillebereich“, sagt Thier. Die Erste Bank sei überdies keine Investmentbank, sondern vor allem für Privatkunden da.
Wenn Österreichs Banken tatsächlich etwas passieren sollte, dann weniger aufgrund von Investments und „Panik auf den Aktienmärkten“, meint Wifo-Experte Hahn, als eher über den Umweg der allgemeinen Wirtschaftslage. Sollte sich die beispielsweise in Osteuropa verschlechtern, Unternehmen daher in die Pleite rutschen und Privathaushalte ihre Raten nicht zahlen können, würden das Österreichs Banken zu spüren bekommen. „Aber auch hier muss man die Kirche im Dorf lassen“, sagt Hahn. „Die realwirtschaftlichen Auswirkungen sind im Vergleich zu den 1930er-Jahren gering.“
Entwarnung will keiner geben
Auch auf einem anderen Gebiet beruhigt Hahn: Dass etwa die UniCredit im Fall des Falles auf das Kapital der Bank Austria zurückgreift, könne ausgeschlossen werden. Denn als selbstständige Tochter mit österreichischer Bankenkonzession unterliegt die Bank Austria der heimischen Finanzmarktaufsicht. Diese kann ein Verkaufs- und Zahlungsverbot aussprechen, wie es in Deutschland die dortige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen mit der deutschen Lehman-Tochter getan hatte. „Und dass die Italiener mit einem Panzerwagen vorfahren und Geld abholen: So einfach ist das nicht“, sagt ein Finanzexperte.
Finanzkrise hin, Wirtschaftskrise her – ist für Österreichs Banken und ihre Sparer also alles noch einmal gut gegangen? Entwarnung will keiner der Finanzexperten geben, da ist man vorsichtig. Doch für den Ernstfall gilt: Der Staat wird’s schon richten – wie es auch schon andere vorgemacht haben, darunter Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien.
Erschienen in: Falter. 10/2008