Österreichischer Vizekanzler sucht den Superpraktikanten

Österreich ist für manches berühmt, seine Medienlandschaft zählt nicht dazu. Mager ist die Presseauswahl. Zwei Konzerne verlegen die meisten Zeitungen und Magazine. Eng ist mitunter das Verhältnis zwischen Politik und Medien – und das belegt zurzeit nicht irgendwer.

„Bist du Österreichs Superpraktikant?“, fragt der Finanzminister und Vizekanzler der Republik Österreich. „Powered by Heute, ATV und Kronehit“ sucht Josef Pröll von der konservativen Volkspartei einen Mitarbeiter – für eine Woche im kommenden Januar. Drei Monate Aufmerksamkeit in den Medien abseits von Tagespolitik sind dem ÖVP-Chef damit gesichert: Die Tageszeitung Heute liegt gratis in jeder U-Bahnhaltestelle auf und ist oft schon am Vormittag vergriffen. Sie wird von Eva Dichand herausgegeben, der Schwiegertochter von Hans Dichand, dem Eigentümer der Kronenzeitung. Das Boulevardblatt Krone ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Landes die größte Zeitung der Welt. Zu ihr gehört auch der Privatradiosender Kronehit. ATV ist Österreichs größter Privatfernsehender, er gehört zum Medienunternehmen Tele München Gruppe. Hier also wird laufend berichtet, hier laufen die Spots.

„Zeig uns, was du kannst! Je kreativer, ausgefallener, verrückter, desto besser“, lauten die Anforderungen für das Praktikum bei Vizekanzler Pröll. „Einfach Formular ausfüllen, Video und/oder Foto mit einem kleinen Text hochladen – schon bist du im Rennen.“ Seit Anfang November läuft die Bewerbungsphase im Internet, für die Kandidaten kann bis Mitte Dezember per Mausklick gestimmt werden. Die „Top 100“ kommen in die zweite Runde, die „Top fünf“ in die „große Final-Show“. Dort wählen dann Publikum und eine „Promi-Jury“ – bestehend aus Josef Pröll und jeweils einem Vertreter der drei Medienkooperationspartner – den Sieger aus. Der darf dann nicht nur im Parlament und im Ministerrat dabei sein, sondern auch beim Wiener Jägerball und beim Nachtslalom in Schladming. Bezahlung gibt es keine, gesponsert wird aber anschließend eine Woche Urlaub im Tiroler Skiort Ischgl.

„Das waren Hacker“, habe er sich gedacht, als er die Internetseite gesehen hatte, sagt Hannes Haas, Vorstand des Instituts für Publizistik an der Uni Wien: Die Suche nach dem „Superpraktikanten“ eine Satire, gemacht von der Generation Praktikum, die gerade an den Hochschulen gegen überfüllte Hörsäle, eine Kommerzialisierung des Bildungssystems, mögliche Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen protestiert. „Die Aktion von Minister Pröll ist da eine unglaubliche Provokation“, sagt Haas. Mehr Aufmerksamkeit als mit üblichen Werbeformen bekäme Pröll damit aber freilich, und junge Menschen zu erreichen, sei ja schließlich das Ziel. „Dabei könnte man zum Beispiel mit den Leuten im besetzten Audimax auch reden.“

Bei den letzten Parlamentswahlen im Herbst 2008 haben die 16 bis 29 Jährigen zu 44 Prozent die rechtspopulistische FPÖ gewählt. Das macht den anderen Parteien zu schaffen. Ernsthaft begegnet zwar auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache den Jungen nicht, wenn er rappt oder mit ihnen in Discotheken tanzt. Er ist vielen von ihnen damit aber trotzdem näher, als ÖVP, SPÖ und Grüne es sind.

„Ich glaube, die Jugendlichen sind nicht so politikverdrossen, wie es oft heißt“, sagt Klaus Werner-Lobo. „Man muss aber mit ihnen reden und sie ernst nehmen.“ Der Bestseller-Autor („Schwarzbuch Markenfirmen“), Journalist und ausgebildete Clown ist auf Platz zwei bei „Superpraktikant“: Die „Krone“ habe der „Pröll Seppi“ bereits, jetzt fehle ihm nur noch ein Hofnarr, schreibt er in seiner Bewerbung.

Erschienen in: Berliner Zeitung

Datum: 11/2009

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