Deutsche Wirtschaft: Noch nicht alles rosig

Gelb, rot, grün, blau, weiß, orange – egal in welche Richtung man auch schaut, überall sind Container gestapelt und liefern ein riesiges, buntes Bild. Im Wasser liegen Frachter, zum Beispiel Schiffe der Reederei China Shipping. Allein eines davon fasst 9600 Container.

Dass es im Hamburger Hafen noch vor kurzem anders ausgesehen hat, ist kaum vorstellbar. Die Ebbe aufgrund der Finanzkrise ist überwunden: 2010 wurden im größten deutschen Hafen mit 121 Millionen Tonnen um zehn Prozent mehr Güter umgeschlagen als 2009. Fast acht Millionen Container wurden ver- oder entladen. Beinahe 13 Prozent mehr als 2009. Und in einem Jahr dürften die Rekordwerte vor der Krise erreicht werden.

Mit Deutschlands Wirtschaft geht es wieder bergauf. Maschinen- und Autobauer und die Chemieindustrie planen, kräftig zu investieren. Denn vor allem die Schwellenländer – allen voran China – bestellen fest. Deutschlands Wirtschaftsminister jubelt. Die Prognose der Regierung, ein Plus von 2,3 Prozent, hält er mittlerweile für zu „vorsichtig“. Denn, erklärt Rainer Brüderle (FDP), die Wachstumslokomotive Deutschland fahre „weiter mit viel Kraft voraus“.

Dass der harte Winter einen kleinen Dämpfer beschert hat, trübt seine Stimmung nicht: Diese Verluste würden im Frühjahr wettgemacht.

Defizit und Schulden

Nicht alle teilen Brüderles Jubel. So sagt etwa Petra Roth (CDU), Städtetagspräsidentin und Bürgermeisterin von Frankfurt am Main: Auch heuer sei „keine Erholung für die Haushalte der Städte in Sicht“ – trotz des Wirtschaftsaufschwungs. „Viele Kommunen liegen auf der Intensivstation.“ Überall müsse gespart werden.

Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbands, weist wiederum auf die Gefahr der Schuldenkrise in Europa hin. Deutschland exportiere nun einmal nach wie vor einen Großteil seiner Waren innerhalb Europas.

Der Wirtschaftsminister kontert: Der Aufschwung stehe auf zwei Beinen, Export und Binnenmarkt. Die deutschen Verbraucher kauften wieder mehr, der private Konsum werde heuer preisbereinigt um 1,6 Prozent ansteigen. „Die, die meinten, uns im vergangenen Jahr an den Pranger stellen zu müssen, profitieren von dieser Stärke“, sagte Brüderle kürzlich. Er meinte die französische Wirtschaftsministerin und den Chef des Internationalen Währungsfonds. Diese hatten klargemacht, dass Deutschland stärker auf den Konsum im Land und auf Investitionen achten müsse – anstelle vorrangig auf seine Exportzahlen.

Es war nicht das erste Mal, dass Deutschland so kritisiert worden ist. Die Ökonomen der deutschen „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ etwa erklärten im Herbst 2008 die Finanzkrise nicht zur alleinigen Ursache des Einbruchs: Die vorangegangenen schönen Wirtschaftsdaten Deutschlands beurteilten sie als trügerisch und gefährlich. Denn das Bruttoinlandsprodukt war – gestützt vom Export – in die Höhe geschossen; der Konsum stagnierte.

Löhne müssen steigen

„Wenn die Wirtschaft boomt, sind auch kräftige Lohnerhöhungen möglich“, hatte Brüderle bereits im Herbst erklärt und Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen versucht. Eine solche Aussage gibt den Arbeitnehmern zwar Rückenwind.

Lohnverhandlungen führen freilich immer noch die Kollektivvertragspartner – und laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist bei der Lohnentwicklung „noch nicht so viel“ zu sehen.

Der Aufschwung habe freilich zur Beschäftigungssicherheit geführt, so DIW-Konjunkturexperte Ferdinand Fichtner. Allerdings seien während der Krise tausende Langzeitarbeitslose aus der Statistik gefallen, nämlich jene, um die sich private Jobvermittler kümmern. Zudem spielten in den Beschäftigtenzahlen Teilzeitjobs und Leiharbeit eine große Rolle.

Und darauf wiederum hat Brüderle mehr Einfluss als auf Lohnverhandlungen. Über Gesetzesänderungen für Leiharbeit und Mindestlohn wurde zuletzt heftig diskutiert.

Die Opposition fordert, dass Zeitarbeitern nach maximal vier Wochen der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit ausbezahlt werden müsse. Alles andere schädige unter anderem die Kaufkraft des betroffenen Personals. Die Liberalen treten für eine Frist von neun Monaten ein. Denn, sagt die FDP, andernfalls würde das Instrument der Zeitarbeit als „flexibles Element der Wirtschaft“ beschädigt. Das bedeute, dass Arbeitsplätze vernichtet würden.

Grenze für Leiharbeiter

Bei den abschließenden Gesprächen über einen neuen Hartz-IV-Satz am vergangenen Sonntag einigten sich die Regierungsvertreter schließlich auch darauf, dass für Leiharbeiter ab dem 1. Mai eine Lohnuntergrenze gelten soll – „ohne, dass die Flexibiliät bei der Zeitarbeit zerstört wird“, sagte CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Erschienen in: OÖNachrichten und Wirtschaftsblatt. 02/2011

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