Im Bus

Es ist immer wieder ein Erlebnis, in Berlin den Bus zu nehmen. Das liegt auch an den Fahrern, die vom fröhlichen „Hallöchen“ beim Einsteigen (man hat immer vorne einzusteigen!) bis zum quer durch den Bus gekeiften „Hör’n Se schlecht? Aus der Tür raus!“ mit der gesamten Bandbreite an Kommunikationsformen aufwarten.

„Aus der Tür raus“ – wahlweise auch: „Bitte aus der Lichtschranke gehen und den Türbereich frei machen“ – gehört zum Standardrepertoire der Fahrer: Immer wieder stellen sich Fahrgäste direkt an die Tür und denken, dass diese diesmal schon noch irgendwie zugehen werde. Touristen wissen meist erst gar nichts von den Lichtschranken. Im vergangenen Sommer – Mittagshitze, 33 Grad – blieb der Bus vor dem Berliner Dom einfach stehen, wie mir meine Berlin-Besucher erzählten. Sie saßen oben im Stock und rätselten: Möglicherweise ein Motorschaden? Man wartete und schwitzte. Irgendwann verkündete der Busfahrer via Mikrofon: „Ick kann hier noch länger stehen.“ Ein Irrer? Dann, noch einmal zehn Minuten später, der erlösende Satz zum Fahrgast mit dem Rollkoffer in der Mitte des Busses: „Geh’n Se vielleicht ma aus der Tür raus?“

Ein befreundeter Psychologe berichtet, dass er in seiner Borderline-Gesprächsgruppe anhand der Linie M41 Bewältigungsstrategien bei Wutanfällen erläutert. Jeder Teilnehmer könne binnen Sekunden ein Wut-Erlebnis mit dem Bus M41 aufrufen und anhand dessen die Strategien trainieren – der Bus komme zu spät, sei voll, fahre nicht weiter („Aus der Tür raus!“). Die Fahrer seien mit den Nerven oft am Ende, immer parke jemand in der zweiten Spur, Radfahrer zischten links und rechts hervor, jemand laufe plötzlich über die Fahrbahn, im Fahrzeug brülle jemand unmotiviert. „Eigentlich erstaunlich, dass die Fahrer nicht völlig durchdrehen“, sagt der Psychologe.

Und immer wieder sind die Fahrer auch für richtig positive Überraschungen gut. Seelenruhig erklärte einer etwa kürzlich am Flughafen Tegel auch noch dem fünfzigsten Touristen, wohin sein Bus fährt, wechselte Geld für Tickets, summte dabei vor sich hin, grüßte einen Fahrgast: „Zurück in Berlin, wa?“ Ein anderer wiederum steckte einen Musiker aus dem Bekanntenkreis mit seinem Lachanfall an: Der Mann versuchte mehrmals, mit seinem Kontrabass in den Bus zu kommen. Immer dann, wenn Mann und Bass fast zur Hälfte im Bus waren, wurden die beiden kurz von den schließenden Türen eingezwickt. Der Mann hiefte den Bass wieder hinaus und nahm erneut Anlauf. Der Busfahrer beobachtete die Unternehmung und zerkugelte sich. Irgendwann drückte er lachend einen Knopf, und die Türen blieben geöffnet. Als der mittlerweile ebenfalls lachende Musiker nun ein Ticket kaufen wollte, winkte der Fahrer grinsend ab: „Ne, ne, heute nüscht!“

Erschienen in: OÖN, 06/2015

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