Kampf gegen Foreign Fighters

„Die Salafisten sind zurzeit die besseren Sozialarbeiter“ – der Berliner Psychologe Ahmad Mansour weiß, wovon er spricht. Mansour leitet ein Projekt gegen Radikalisierung. Der 38-Jährige sucht das Gespräch mit Jugendlichen und versucht, diese davon abzuhalten, ein „Foreign Fighter“ zu werden, ein Ausreisender, der sich den Kämpfern des Islamischen Staates anschließt.

Bisher sind nach offiziellen Zahlen 650 Personen von Deutschland aus nach Syrien und in den Irak gegangen – die Dunkelziffer dürfte bei mehr als 1.000 liegen. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten – darunter Österreich – steht die Bundesrepublik damit in der Relation zu ihrer Bevölkerungsgröße verhältnismäßig moderat dar. Dennoch: Warum schließen sich so viele junge Menschen dem IS an? Dieser Frage ist am Dienstag eine Konferenz in Berlin nachgegangen.

Der deutsche Inlandsgeheimdienst spricht bei jenen, die sich vom radikalen Islam besonders angesprochen fühlen, von den „4 M“: Männlich, Muslim, Migrationshintergrund, Misserfolgserlebnisse. Man wolle im „wahren Islam“ leben, habe Diskriminierung erlebt und könne nun bei dem Projekt, Welt- und Heilsgeschichte zu schreiben, dabei sein, sagte auch Thomas Volk, Islam-Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung. Darunter seien außerdem Abenteurer, die „Männlichkeit im Krieg zelebrieren wollen“, so Marwan Abou Taam vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz.

Das Phänomen von „Foreign Fighters“ ist nicht neu, auch in den Kriegen in Bosnien, Afghanistan oder im Irak gab es dies bereits. Doch die Vernetzung mit der entsprechenden Szene ist einfacher geworden, beispielsweise auf der Straße bei Koran-Verteilaktionen und im Internet. Auf „ask.fm“ können andere Nutzer um Auskunft gebeten werden – auch IS-Kämpfer mischen dort mit und antworten auf Fragen wie: „Ist das Training sehr hart, Bruder?“ Dazu komme eine hochprofessionelle Videopropaganda auch direkt aus dem Kriegsgebiet, so Journalist Yassin Musharbash. Aber: Das Internet radikalisiere nur sehr wenige zur Gänze, etwa 10 bis 15 Prozent, betonte Peter Neumann, Direktor des Zentrums für Radikalisierungsstudien (ICSR) in London. Für die meisten, die sich islamistischen Gruppen anschließen, seien die realen, sozialen Netzwerke wesentlich – zusammen mit dem Internet.

Etwa 7.000 Salafisten leben zurzeit laut den Behörden in Deutschland, und viele der Radikalisierungsgeschichten gehen von diesen islamistischen Gruppen aus. Viele der jungen Anhänger wüssten nichts von einer historisch-kritischen Koran-Deutung, seien zum Teil „religiöse Analphabeten“, so Islamexperte Volk. Es brauche Menschen, die diesen die „Vielfalt und richtige Interpretation“ ihrer Religion beibrächten.

„Wir müssen über patriarchale Strukturen sprechen, über das Gefühl von jungen Muslimen Opfer zu sein, über Antisemitismus, der Teil ihrer Welt ist – der zweite Weltkrieg ist ein wichtiges Thema, aber die jungen Leute wollen auch über den Nahost-Konflikt sprechen“, sagte Mansour von der Beratungsstelle „Hayat“. In den Köpfen von jungen Muslimen befänden sich Ideologien, die in einer Demokratie „nichts zu suchen“ hätten. Lehrer seien hier oft überfordert. Die Politik agiere nicht beherzt genug, wenn es um Prävention gehe.

Erschienen in: WZ und OÖN 04/2015

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