Rauchen erlaubt: Die Krise gefährdet Arbeitsplätze und die Umweltpolitik der EU

Umweltschutz oder Arbeitsplätze? Jetzt, in Krisenzeiten, wird so getan, als wären diese Ziele unvereinbar. Strenge Auflagen für die Industrie gefährden Wettbewerb und Jobs, warnen Unternehmer und Gewerkschafter. Letztere trugen vergangene Woche Särge durch Brüssel. „Stahlindustrie: ruhe sanft“ stand darauf zu lesen. Daneben hielten Greenpeace-Aktivisten ihre Transparente in die Höhe: Die Politiker, so die Parole, „verheizen das Klima“. Der Grund für die Aufregung: Im Europäischen Parlament rangen EU-Kommission und Mitgliedsstaaten um neue Abgasgrenzwerte für Autos. Die Produktion von CO2-Dreckschleudern sollte endlich Geschichte sein.

Wunschtraum. War ursprünglich geplant, Neuwagen ab dem Jahr 2012 nur noch 120 Gramm Kohlendioxid je Kilometer ausstoßen zu lassen, so liegt dieser Wert nun mit 160 Gramm deutlich höher. Erst 2015 sollen strengere Werte für sämtliche neue Wägen gelten. Auch Strafen fallen geringer aus.

Die Lobbyarbeit der Konzerne war erfolgreich, ihr Argument „Arbeitsplatz“ obsiegte. „Für das Weltklima ist das nicht dramatisch“, beruhigte der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Sein Land hatte besonderen Druck in der EU gemacht: Die deutschen Autokonzerne stellen Wägen mit vergleichsweise hohem Schadstoffausstoß her.

Die Einigung in Brüssel ist exemplarisch für die europäisch akkordierte Umweltpolitik in Zeiten der Rezession. Sie kann als Signal dienen, wie es mit den Klimaschutzzielen der EU weitergeht: nationalstaatlich geprägte Kompromisse statt mutiger ökologischer Entscheidungen auf europäischer Ebene. Auch in anderen Umweltfragen dominiert nun eher die Sorge um Jobs denn um grüne Wiesen.

So plant die EU-Kommission, 20 Prozent der Verschmutzungsrechte von Fabriken ab 2013 versteigern zu lassen. Derzeit können die Länder den Unternehmen Zertifikate zuteilen – sind es weniger, als Abgase ausgestoßen werden, müssten Rechte von anderen Firmen zugekauft werden. Das verursache zu hohe Kosten für die krisengeplagten Unternehmen, warnen unter anderem Österreichs Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und seine deutsche Kollegin Angela Merkel (CDU). Der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas kontert: Die Kosten brächten die Unternehmen dazu, weniger Abgase in die Luft zu blasen. Ausnahmen wollen Deutschland und Österreich vor allem für die Stahl-, Chemie-, Zement- und Papierindustrie. Für Stromerzeuger könnten die Zertifikate schon ab 2013 versteigert werden. Doch da stellen sich die Polen quer: Das Land gewinnt 94 Prozent seiner Energie aus Kohle.

Gern inszeniert sich Europa als Weltklimalokomotive – aber allein an China und den USA vorbeizupreschen ist dann vielen Nationalstaaten doch zu viel. Die Bundesregierung könne nicht „zusehen, wie Arbeitsplätze in Regionen der Welt abwandern, wo der Umweltschutz geringer ist als bei uns“, erklärt Kanzlerin Merkel und liegt damit auf einer Linie mit dem neuen österreichischen ÖGB-Präsidenten Erich Foglar.

Doch was ist dran an der Warnung? Würden bei strengeren EU-Auflagen mit einem Schlag Firmen abwandern? Längerfristig sehr wohl, warnt etwa die Voestalpine. Schon fürchtet Rudolf Zrost, Chef des Zementwerks Leube, Billigimporte. Der Energieexperte Stefan Schleicher sagt, die Ansprüche für die freie Zuteilung von Zertifikaten für einzelne Zweige seien berechtigt, die höheren Kosten könnten hier schlechter umgewälzt werden als in der Energiebranche.

Nun will die österreichische Regierung den heimischen Unternehmen entgegenkommen. Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) formuliert es auf seine Art: „Man darf das eine nicht gegen das andere ausspielen.“ Er schwärmt aber auch, genauso wie die Grünen, von neuen Jobchancen, die der Klimaschutz bringen könnte.

Derweil erweitern Unternehmen ihr Spektrum: Die oberösterreichische Firma Fronius fertigte Elektroschweißgeräte und baut nun auch Bestandteile für Fotovoltaikanlagen. Der Heizkesselproduzent Windhager stellt nun auch Kessel für Pellets her. Der Murauer Installateurbetrieb Zeiringer will keine Ölheizungen in Neubauten mehr einbauen.

Es wird einen Strukturwandel geben, hoffen die Grünen, denen das Engagement der Regierung und Europas nicht weit genug geht. Sie fürchten, dass es mit dem globalen Klimaschutz nicht gut bestellt sein wird, wenn sich die Europäer nicht einmal auf ein vergleichsweise hohes Level einigen.

Rezession muss den Umweltschutz nicht gefährden – ganz im Gegenteil. Daniela Kletzan-Slamanig vom Wirtschaftsforschungsinstitut sagt: „Es wird sektoral Gewinner und Verlierer geben.“ Besonders in stabile Ölpreise würden die Entwicklung neuer Technologien sinnvoll machen.

Ohne politischen Druck, so sind sich die Experten einig, werde sich aber wenig ändern. Das werde nicht nur der Umwelt schaden, sondern vor allem auch den Unternehmen.

Erschienen in: Falter 12/2008

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