Steueroase: Österreich und das Bankgeheimnis

Seit ein paar Tagen ist die Welt wieder in Ordnung. Das finden jedenfalls Finanzminister Josef Pröll und sein deutscher Kollege Peer Steinbrück. Sie trafen einander in Berlin, zusammen mit mehr als einem Dutzend anderer Vertreter der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), um über den Kampf gegen Steuersünder zu sprechen. Denn darin sind sich alle einig: Steuersünder sind des Teufels. Dem betroffenen Staat entgeht ein Haufen Geld – mehr als hundert Milliarden Euro sollen es im Fall Deutschlands sein. Aber wo die zum Teil geblieben sind, wollen einige Länder gar nicht gern hören.

So hatte Steinbrück, Gastgeber der OECD-Konferenz, die Einladung auch speziell an „Luxemburg, Liechtenstein, Österreich, Ouagadougou“ ausgesprochen. Steinbrück weiß inzwischen, dass Ouagadougou weder Land noch Steueroase ist. Und seine Meinung, dass Österreich ein „Problem“ für den deutschen Fiskus bedeutet, hat sich seit der Konferenz zum Besseren gewendet. Da nämlich hat Pröll ein Kommunique unterzeichnet, das es ausländischen Behörden erleichtern soll, in Österreich an Informationen über potenzielle Steuersünder zu kommen. Bisher brauchte es dazu ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung.

„Das Bankgeheimis für Österreicher bleibt unangetastet“, verkündete der Finanzminister. Warum eigentlich? Entgeht nicht auch dem österreichischen Staat damit möglicherweise Geld? Anders als in Deutschland dürfen Banken Behörden nichts über Veranlagungen ihrer Kunden mitteilen – außer, es liegt ein richterlicher Auftrag vor. Das Bankgeheimnis steht sogar in der Verfassung. Würde man es wegnehmen, wäre es so, als malte man die Lipizzaner schwarz an, sagt Franz Hahn, Bankexperte vom Wirtschaftsforschungsinstitut: Das Bankgeheimnis gehört zur österreichischen Intransparenzkultur. Das erklärt, warum die Regierenden auch so gar kein Interesse haben, es anzutasten: Politiker wollen schließlich wiedergewählt werden. Sogar die SPÖ will nicht am Bankgeheimnis rühren. Dabei ist gerade ihre traditionelle Klientel davon gar nicht betroffen, weil ihr das Vermögen fehlt, für das sie Steuern hinterziehen könnte.

Dem deutschen Finanzminister ist es freilich egal, ob es das Bankgeheimnis für Österreicher gibt oder nicht. Er zeigt sich versöhnt und verkauft nach den verbalen Attacken das Papier als Erfolg – wie Pröll: Immerhin sollen die OECD-Vereinbarungen nicht mehr nur für Länder gelten, sondern auch Finanzkonstruktionen wie Trusts, Mantelfirmen und Stiftungen transparenter machen. Das ist auch gut so. Aber geht das über bloße Ankündigungen hinaus? Und mit welchen Konstrukten und über welche Ländergrenzen hinweg jemand gerade Steuern hinterzieht, muss außerdem erst einmal herausgefunden werden. Von einem automatischen Informationsaustausch, wie ihn die EU-Zinsrichtlinie vorsieht, will aber Minister Pröll nichts wissen: In diesem Fall ist der Datenschutz heilig.

Kommentar erschienen in: Falter

Datum: 06/2009

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